Untergang Faraljans

Der Untergang Faraljans

Irgendwo auf Karnikon, 420 n.P.

Neugierig scharten sich die Kinder um den Mann, der in der Ecke neben dem Feuer sorgfältig seine Laute stimmte. Doch nicht nur sie hofften, daß der Fremde, der heute Morgen ins Dorf gekommen war, noch die eine oder andere Geschichte oder das eine oder andere Lied von sich geben würde, bevor er das Dorf wieder verließ: Die Erwachsenen wahrten zwar höflich Abstand, aber immer wieder wanderten verstohlene Blicke in Richtung des Feuers. Die Gespräche ebbten immer wieder ab, in der Hoffnung, daß der Barde endlich anfangen würde zu erzählen. Schließlich wagte eines der jungen Mädchen, den Fremden anzusprechen: "Ihr seid sicherlich weit herumgekommen, Herr Barde", sagte sie zaghaft, "wollt Ihr uns nicht eine Geschichte von fernen Ländern oder vergangegen Zeiten erzählen, die keiner von uns je gesehen hat?" Der Mann hob den Kopf. Saphirblaue Augen hielten den Blick des Mädchens für einen Moment gefangen. "Eine Geschichte von fernen Ländern und vergangenen Zeiten?" fragte er lächelnd, "wie Ihr wollt, holde Maid." Und, die Augen immer auf die Schöne gerichtet, als ob seine Worte nur ihr galten, erhob er seine tiefe, klangvolle Stimme und begann zu erzählen:
Als die Ritter des Lichts - unter ihnen Gwyddion ter Maer von Edor - Dularothomae, den Schattenpriester, aus seiner Burg Aict-Wellor in den Nebelsümpfen vertrieben, atmete Gwynddor auf - wenn auch nur kurz. Der Dul aber entfloh in Gestalt eines untoten Schatten und suchte sich eine neue Heimat. Dies wurde Chelo-darn zum Verhängnis. Im Velatorgebirge setzte sich der Herr der Schatten zur Ruhe und gründete das Reich Kriegoria. Von dort aus holte er vereint mit den übrigen Mächten der Finsternis zum Schlag aus: Es kam zu der großen Schlacht zwischen Licht und Finsternis, die man heute als "Allumeddon" kennt: Schon zu Beginn stand die Schlacht unter einem dunklen Stern - in der großen Schlacht am Hochmoor von Dhunnin in Rodebran liefen mehr als 100.000 Streiter des Lichts ins Verderben. Doch dies war erst der Anfang. Die in 50.000 Jahren gesammelten Schatten der Alpträume aus dem "Buch der Alpträume" wurden freigesetzt. Riesige Schlachten wurden geschlagen, und immer unterlag die Seite des Lichts. Der erste Deddeth seit Menschengedenken wurde um Kratau gesehen. Die schwarze Wolke verdunkelte den Himmel und fraß die Seelen aller Wesen, die es berührte. Fast wäre alles Leben auf Myra vernichtet worden, doch die Götter riefen in höchster Not den Lichtboten. Dieser erschien und verwandelte den drohenden Sieg der Finsternis in ein Unentschieden, indem der die Schattenzone auflöste und den Darkon tötete. Doch der Preis hierfür war hoch: Das Chaos der Schattenzone verbreitete sich nun über die Welt. Gorgon und Vanga kehrten auf die Welt zurück und prallten ungehemmt aufeinander. Die Götter zogen sich von uns zurück, und viele Myraner vergaßen die Götter. Der Begriff 'Alte Götter' stammt aus dieser Zeit, denn so nannten damals die Ungläubigen die verloren geglaubten Götter. Auch die letzten nicht finsteren Eytas, die halbgöttlichen Aegyr, die Drachen, die Einhörner und die meisten anderen magischen Wesen verschwanden. Erdbeben, Vulkanausbrüche und andere Naturkatastrophen erschütterten Myra. All jene magischen Tore nach Vangor, die lange Zeit geschlossen gewesen waren, öffneten sich, und ein riesiger Flüchtlingsstrom ergoß sich über Myra, vor allem über den Literaria-Archipel im Machairas. Seitdem heißt diese Inselgruppe Asylia-Archipel. Die Welt, wie sie bislang gekannt wurde, zerfiel. Das Dunkle Zeitalter hatte begonnen. Ihr fragt Euch nun sicher, warum ich Euch diese Geschichte erzähle, die Ihr alle nur zu genau kennt. Aber dies ist nur der Rahmen für meine eigentliche Geschichte, und die ist - so glaube ich - weniger Personen bekannt:
Eine der Gegenden Myras, die am schlimmsten vom Einbruch des Dunklen Zeitalters getroffen wurde, war Chelo-darn, denn der Dul, der sich sicher in den verborgensten Höhen des Velatorgebirges eingenistet hatte, jagte seine tobenden Dämonenhorden über das Land. Diese verschlangen alles Leben, das sie ihn die Finger bekamen. Aus den Sümpfen stiegen die gefürchteten Todesgeister empor und trieben die Menschen in den Wahnsinn. Dunkle Schatten krochen über das Land und stöberten auch diejenigen auf, die sich in die verborgendsten Winkel verkrochen hatten. Nicht zuletzt versetzten Orks und Goblins und andere üble Krieger der Finsternis das Land in Angst und Schrecken. So gelang es dem Schattenpriester, Chelo-darn und weite Teile Karcanons zu beherrschen. Und nur wenige Inseln der Zivilisation konnten dem Wüten der Finsternis standhalten: Die stolzen Rittern Denalgês verteidigten ihre Heimat erfolgreich mit dem Schwert. Andilev verschanzte sich hinter seinen Palisaden. Die Garonen wurden wieder zu Nomaden. Und auch einige wenige andere konnten vorerst die Düsternis abwehren.
Hundertzwanzig Jahre schon dauerte der wütende Ansturm auf die letzten Bastionen des Lichts. Hunderttausende waren gefallen. Hunderttausende hatten die Dämonen in den Wahnsinn getrieben. Ganze Familien, ganze Königshäuser, ganze Reiche waren ausgelöscht worden. Langsam wurde die Kraft auch der letzten Inseln der Zivilisation ausgehöhlt. Als sie dies aber erkannten, beschlossen die übriggebliebenen Reiche auf Chelo-darn, einen letzten verzweifelten Schlag zu versuchen, bevor auch sie von der Bildfläche verschwinden würden. Auch diese Geschichte kennt Ihr: Aaron der Weise, der größte Druide von Dandairia und Hüter des Orakels von Asfarlon, führte alle magisch Begabten von Chelo-darn an. Jedes Reich schickte seine Heere, um die Gefahr zu bannen. Mit vereinter Kraft von Schwert und Magie wurden die Horden der Finsternis geschlagen und der Dul in das Verlatorgebirge zurückgetrieben. Doch der Preis hierfür war hoch: Unzählbar viele Personen starben - nicht nur Krieger sondern ebenso andere. Und zahlreiche Zivilsationen gingen unter, so etwa Denalgê.
Was aber nur wenige wissen, ist, daß ein Land einen besonders hohen Preis bezahlte, nämlich Faraljan. Faraljan wurde regiert von zwei Schwestern, die beide mächtige Magierinnen waren. Die eine war Zaraija, die man auch "Schwester der Nacht" nannte, weil sie ihr Leben Syrenia geweiht hatte. Die andere war Zulamija, die man auch "Schwester des Tages" nannte, weil ihr Leben Putrexia geweiht war. Während des Dunklen Zeitalter hatte Syrenia Faraljan sorgsam in Vergessen gehüllt, und wenn doch ein Funke Düsternis nach Faraljan schwappte, so konnte er nicht lange Putrexias Frieden widerstehen. Man sagt, die Schwestern hätten sich einst gestritten und könnten nie wieder amselben Ort weilen. Doch als Pondaron nahte, waren sie so eins, wie sie es in der Zeit gewesen waren, als sie Faraljan aus den Tiefen des Ozeans gehoben hatten. Denn Syrenia und Putrexia hatten ihnen eine Gabe geschenkt, die umso mächtiger war, je vereinter Zaraija und Zulamija handelten: die Gabe, das Land zu verschieben. Diese Gabe war es, die Chelo-darn rettete und Faraljan zerstörte.
Als Aaron der Weise begann, die Krieger des Lichts auf Chelo-darn zu sammeln, erkannte er mit Schrecken, daß die Kräfte des Lichts niemals ausreichen würden, um die Horden der Finsternis zu bannen. Aaron wollte den Kampf schon verloren geben, als Zaraija und Zulamija auftauchten und ihr letztes Opfer darbrachten: Mit der gemeinsamen Kraft, die ihnen die Götter geschenkt hatten, verschoben sie ein letztes Mal das Land. Sie versenkten ganze Landstriche im Meer, in denen die Dämonen des Schattenpriesters alles Leben vernichtet hatten und nun hausten - im kühlen Wasser des Ozean verlosch auch das schwärzeste Feuer der Nacht. Sie legten die Sümpfe trocken, in denen die Todesgeister hausten, indem sie sie emporhoben - und kein einziger Geist stieg mehr empor. Viel höher noch hoben sie andere Gegenden empor und ließen Hügel und Berge entstehen - und die Geister der Luft wurden eingeschlossen in ewigem Gestein. Schließlich ließen zogen sie riesige Bergketten um das Velator-Gebirge, und die Krieger des Herrn der Schatten wurden noch tiefer in den Höhen des Gebirges einschlossen. Viele Wochen wirkten die Göttinnen durch die Schwestern, und als sie ihr Werk vollendet hatten, waren die Truppen des Dularothomae so weit geschrumpft, daß neue Hoffnung bestand. Und Aaron der Weise konnte nun die Kräfte des Lichts sammeln für eine Schlacht, die die Finsternis noch nicht sicher gewonnen hatte.
Zaraija und Zulamija indes hatten bei dem Versuch, die Struktur eines ganzen Kontinents zu verschieben, auf alle Kräfte zurückgegriffen, die sie besaßen. In dieser Anstrengung hatten sie auch die Kraft verbraucht, die ihr Leben war. Als sie ihr Werk vollendet hatten, waren sie in den Schoß der Großen Mutter zurückgekehrt, und Faraljan war wieder im Meer versunken. Dies ist die Legende vom Untergang Faraljans, wie man sie sich in meiner Heimat erzählt.

 

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