|
Zukunftspläne
„Ach hier bist Du! Ich dachte, dich finde Dich gar nicht mehr in dem Gewühl hier! Und außerdem bin ich es ja eigentlich sowieso gewöhnt, daß Du dauernd auf der Tanzfläche bist. Aber stattdessen
ist das Unmögliche wahr: Der Nhrîàs steht auf einem Ball im hinterletzten Winkel, und niemand bemerkt es!“ Quario schaute auf und lächelte, als er den breit grinsenden Phraîeus vor sich stehen
sah. „Ja, es ist ungewohnt, nicht wahr? Aber mit den ganzen Erzrittern, die sich hier tummeln ...“ – „... haben unsere Damen ausnahmsweise jemanden Würdigeres, um den sie herumscharwänzeln
können“, beendete Phraîeus den Satz. „Ich muß sagen, ich finde, daß es eine angenehme Abwechslung ist. Es ist doch immer etwas anstrengend, aufzupassen, daß keine beleidigt ist. Die einzige, mit
der ich ohne Bedenken tanzen könnte, wäre Andreana, und die tanzt ja nicht mehr gerne seit ...“ – „Ich weiß“, seufzte Phraîeus, aber dann grinste er sofort wieder: „Es stimmt schon: Letzte Woche
warst Du schon fast mit Medeni Sotis verheiratet, und diese Woche ist es Gwladys Kurilon ...“ Doch dann stockte er: „Was ist denn? Du schaust auf einmal so ernst? Und warum stehst Du überhaupt
hier?“
Quario seufzte: „Ich schaue sie mir an. Ich muß langsam eine Entscheidung treffen, ob ich will oder nicht. Schließlich ist es meine Pflicht als Oberhaupt meiner Familie, für einen Erben zu
sorgen.“ – „Tja, das alte Problem. Nimm doch Mhariana!“ – „Deine Base? Nein, das kann ich nicht. Dafür mag ich sie viel zu sehr!“
Als Phraîeus erstaunt die Augenbraue hochzog, fuhr Quario erklärend fort: „Du weißt, ich könnte sie nie glücklich machen, weil ich sie nie lieben würde.“ – „Hach, ist das so wichtig? Dafür bekommt
sie den Amtsherrn von Karkenor, der zufällig auch noch gleichzeitig Nhrîàs ist!“ Quario mußte zuerst grinsen, meinte dann aber fast traurig: „Weißt Du, bei Dir ist das was anderes. Du wirst eines
Tages nach Phillias zurückkehren, aber ich bin hier gebunden, und was hätte ich Mhariana hier zu bieten, wenn ich sie nicht liebe? Sie würde sich fügen, das weißt Du. Sie ist durch und durch eine
Allennosin.“ Phraîeus lachte: „Das stimmt! Ich habe neulich gehört, wie Vater Onkel verzweifelt gefragt hat, ob denn seine Verkleidung so weit gehen mußte, daß er seine Kinder nach allennosischen
Traditionen erzog! Du hast recht: Das hat Mhariana nicht verdient. Aber wen sonst?“
„Ich habe schon eine ganze Weile eine bestimmte Frau im Auge.“ „Ach was – und Du sagst kein Wort!“ erwiderte Phraîeus fast beleidigt. Er schwieg kurz, hielt es dann aber doch nicht mehr aus: „Na,
nun spuck's schon aus! 'Raus mit der Sprache!“ Quario warf seinen Blick nur auf eine kleine, zierliche Frau, die sich gerade ruhig mit einem titanesischen Ritter unterhielt. Phraîeus Augen
folgten Quarios, und als er sah, worauf sich Quarios Blick richtete, ließ er fast sein Glas fallen.
„Arfòna Teristos?!? Was willst Du denn mit der? Das kannst Du doch nicht ernst meinen? Der begehrteste Junggeselle von ganz Allennos heiratet ein ungehobeltes Bauernmädchen ohne jegliche
Eleganz!“ Doch Quario entgegnete mit gewohnter Gelassenheit: „Nein, ich meine es ganz ernst.“ – „Ich bin sprachlos!“ Quario lächelte Phraîeus an, dann wandte sich sein Blick erneut auf Arfònas
schlanke Gestalt: „Ich muß mich beeilen mit meinem Antrag – ich glaube nicht, daß sie noch lange hier bleiben wird. Schau nur, wie unwohl sie sich hier fühlt. Man sieht es ihr förmlich an! Sie
ist nicht ungehobelt – sie ist ein Mädchen aus den Bergen. Dort ist die Welt noch anders, und dort hält man ganz andere Dinge für wichtig wie hier. Und sie wird mir keine Schande machen.“ –
„Woher um alles in der Welt willst Du das denn wissen?“ Beim Anblick des verwirrten Gesichtsausdruck seines Freundes konnte sich Quario ein breites Grinsen nicht verkneifen. In süffisanten
Tonfall meinte er: „Daß Dir derlei Feinheiten entgehen, bin ich gar nicht von Dir gewohnt. Aber vielleicht ist Phillianern ja die Tugendhaftigkeit ihrer Mütter, Gemahlinnen und Töchter weniger
wichtig als den Allennosen...“ – „Du ungehobelter Allennose, wie kannst Du es wagen...“ Mit halb gespielter, halb echter Empörung richtete sich Phraîeus zu seiner vollen Größe auf und starrte
Quario in die Augen, mußte dann aber auch grinsen, als er in Quarios lachende Augen sah. Der meinte nur: „Komm' schon! Du weißt, daß ich es nicht ernst meine. Ich würde meine Hand ebenso für die
Ehre Deiner Mutter und Deiner Schwester ins Feuer legen wie für meine eigenen Verwandten. Aber Du weißt ja, wie mißtrauisch die Schwestern der Rhyalianda hier über unsere Damen wachen.“ – „Ja,
und?“ fragte Phraîeus. „Na ja“, fuhr Quario fort, „sieh Dir mal die Zofen Arfòna Teristos' an.“ – „Also, wenn Du das 'überwachen' nennst, dann weiß ich auch nicht. Die sitzen schon den ganzen
Abend in der Ecke und unterhalten sich mit den Mhara Kurilon und deren Zofen.“ – „Ja, das ist es ja eben. Ich kenne nur eine einzige andere Frau, deren Zofen sie den ganzen Abend unbeaufsichtigt
lassen würden, und das ist die Hohe Regentin. Und der Grund dafür ist, daß sie über jeden Verdacht erhaben ist, da sie niemals ihrem Haus Schande bereiten würde.“
„Ich verstehe“, nickte Phraîeus, „aber trotzdem, warum ausgerechnet die? Willst Du nicht eine Hübschere nehmen, damit Du hübsche Kinder bekommst?“ – „Meinst Du nicht, daß ich die auf jeden Fall
haben werde?“ Quario grinste schelmisch, und auch Phraîeus mußte grinsen: „Na gut, gewonnen. Aber trotzdem: warum die, wenn Du auch jede andere haben kannst?“ – „Ich sagte doch, sie ist aus den
Bergen! Schau Dir mal ihre Hände an: Sie ist gewohnt zu arbeiten, und wenn in Lesakus die Sitten der Alhîji auch nur halb so hoch gehalten werden wie in Karkenor, dann hat sie auch gelernt, ein
Gut zu leiten. Und ich habe sie schon ein paar Mal in Gesprächen beobachtet: Das Durchsetzungsvermögen und das diplomatische Geschick dazu hat sie!“ Phraîeus sperrte vor Erstaunen die Augen so
weit auf, daß Quario lachen mußte: „Ja, Du bist schon so lange hier in Allennos, daß Du dachtest, Du kennst uns. Aber in den Bergen ist einiges ganz anders als hier in Allennos, und auch die
Frauen sind anders. Man sieht sie hier nur fast nie, weil sie sich nur selten hierher verirren, und wenn sie hier sind, findet man sie ungehobelt, ungestüm, tölpelhaft oder zu eigensinnig. Sie
gehen dann meistens wieder freiwillig – schließlich werden sie zu Hause gebraucht, insbesondere wenn die Männer – wie ich – dauernd unterwegs sind. Es wird Zeit, daß Karkenor wieder ordentlich
geführt wird! Und glaub' mir – Arfòna Teristos kann das bestimmt! Habe ich Dir noch nie erzählt, wie Deirvis D'Aleph seine Frau kennen lernte? ...“
Phraîeus lachte: „Doch! Tausendmal! Du hast gewonnen!“ Quario lächelte Phraîeus ein letztes Mal zu und schritt dann aufrechten Ganges auf Arfòna Teristos zu. Bevor er sich seinen eigenen
Verpflichtungen zuwandte, beobachtete Phraîeus noch, wie sein Freund sich vor der jungen Dame verneigte, sie ihm lächelnd die Hand reichte und die beiden auf der Tanzfläche verschwanden.
(Festung Allennos, Elul 418 n. P.)
|
|