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Die Hochländer
Weit im Machairas Erendyras, noch weiter als Machaviik, die machairistischste Festung der Odenen, liegen die endlosen Hügel der Hochländer.
Die Hochländer sind eine Rasse, die mit keinem anderen Volk von Erendyra verwandt sind. Wie alle Völker sind sie erst in den Wirren des Dunklen Zeitalters nach Erendyra gekommen, keiner weiß genau
woher. Fest steht nur, daß sie keinerlei Verwandtschaftsverhältnisse mit anderen Völkern haben, was am deutlichsten an ihrer Sprache auffällt. Die Sprache der Hochländer ist eine merkwürdige
gutturale Sprache, deren Grammatik sich nur ungenügend an die allgemeine Schrift Myras anpaßte. Die Folgen davon sind auffallende und jedes Studium erschwerende Differenzen zwischen Lautung und
Schreibung.
Die Hochländer sind ein großes helles Volk wie die Waldvölker. Sie sind meist sehr kräftig gebaut und haben häufig blonde und rote Haare. Der Haarwuchs der Hochländer ist weitaus stärker
ausgeprägt als der der Waldvölker. Die Hochländer fallen als übermäßig behaart auf. Besonders im Machairas der Hochländerhügel schickt es sich für den Mann, einen wild wuchernden Vollbart zu
tragen und das Haupthaar ebenso wachsen zu lassen, um es dann zumeist hinter den Ohren zu zwei oder vier Zöpfen zu flechten. Der Großteil des Haares bleibt jedoch offen.
Frauen tragen ihr Haar meist offen und glatt, nur im Ophis der Hügel gilt es für Frauen von Stande als schicklich, das Haar mit Spangen zu Frisuren zu formen.
Die Völker der Hochländer sind sehr religiös. Sie verehren ein Pantheon von vier Göttern, deren Verehrung sogar die Politik der Hochländer beeinflußt. Der wichtigste Gott der Hochländer ist
Talfur, der Donnergott, der ihnen die Stürme sendet und ihnen Kraft gibt. Seine Söhne Horcan und Heanraiss stehen ihm dicht bei und verkörpern ähnliche Naturgewalten.
Horcan ist der Wächter des Totenreiches, der die Geister der Verstorbenen vom Diesseits ins Jenseits geleitet und ihnen die gebührenden Plätze zuweist: sie entweder ins Land der Helden führt oder
in den Sumpf der Verachteten führt oder sie aber auch in seinen windigen Bauch aufnimmt, wenn sie zu den Verdammten gehören. Es wird behauptet, daß Horcan in den Winden dieser Welt lebt, die aus
den Geistern mancher Verstorbener gebildet werden. Beim Säuseln und Flüstern eines sanften Windes mag Horcan milde gestimmt sein, das Heulen und Pfeifen der Stürme bedeutet, daß er seinen Unmut
zeigt. Man sagt, Horcan stünde jenseits von Gut und Böse und die Werte aus der Welt der Lebenden haben für ihn keine Gültigkeit.
Heanraiss ist nur ein Halbgott, da er von einer sterblichen Frau geboren wurde. Heanraiss verließ die Obhut seines Vaters und betete finstere Dämonen an, deren Namen so schrecklich sind, daß man
sie nicht aussprechen mag. Er wurde zum Hüter der finstren Wellen und der Stürme auf See, zum Verursacher der schrecklichen Wirbelstürme und zum Symbol des gewaltsamen Todes auf dem Meer.
Heanraiss ist ein zutiefst verabscheuter Gott bei den Hochländern, besonders aufgrund ihres ohnehin gespaltenen Verhältnisses zu den Wogen des Meeres.
Die einzige Göttin des Pantheons ist die jungfräuliche Yavannie, Göttin der Keuschheit, der Natur und des Friedens. Talfur liebt Yavannie, seit er sie das erste Mal kurz nach Pondaron erblickte
und will sie für sich gewinnen, doch sie verweigert sich ihm.
Während die Verehrung von Talfur über das gesamte Gebiet des Stauros ausgedehnt ist, beschränkt sich die Verehrung der Yavannie auf die ophischen Gebiete, in denen der Einfluß der friedlichen
Druidinnen von tUisge mFhial groß ist, und die Verehrung von Horcan eher im Machairas mit seinen dunklen Nächten und dem finsteren Klima. Heanraiss wird nur vereinzelt von am Meer lebenden
Individuen mit meistens unlauteren Erwerbsgründen verehrt.
Während Talfur und Horcan verehrende Gemeinschaften in der Regel gut miteinander auskommen, ist durch die vollständig andere Grundhaltung das Verhältnis zwischen normalen Hochländer-Clans und
Yavannie verehrenden Clans gestört, wenn nicht gar feindselig.
Eine zentrale Rolle spielen dabei die hochländische Lebensphilosophie des glorreichen Todes im Kampfe und die Stellung der Frau.
Die Sitten, die im Folgenden beschrieben werden, betreffen größtenteils die Hochländergemeinschaften, die Talfur oder Horcan anhängen. Die fortschrittlicheren ophischen Gemeinschaften sind zumeist
von Ländern wie Cuileann Croi-Tor oder tUisge mFhial geprägt und halten sich daher nicht mehr an einige der Traditionen.
Die Hochländische Gastfreundschaft (sioc cairde) ist wie bei den Waldvölkern ein hohes Gebot. Der Gast, der in Frieden kommt, kann ein Bett, zwei Mahlzeiten und freundliche Gesprächspartner erwarten. In wohlhabenden Familien wird zudem am ersten Abend ein Hochländisches Festbankett gegeben (éadach boird).
Beim éadach boird sitzen die Gäste zur Rechten des Hausherren und die anderen Anwesenden in der Reihenfolge ihres Ranges in jeweils weiterer Entfernung vom Hausherren. Die Getränke und Speisen,
die gereicht werden sind ebenfalls nach dem sozialen Stand abgestuft. Am Kopfende des Tisches werden feinste Weine und gekochtes Lammfleisch gereicht, in der Mitte Braten und geimhreadh,
ein Hochländisches stark alkoholisches Getränk und am Ende des Tisches Kornbrei und Met. Die Tafel löst sich gegen Abend vom Kopfende her auf. Der Gast und der Hausherr verlassen als erste das
Gelage, die Bediensteten und Wachen bleiben bis zum bitteren Ende.
Verabschiedet wird ein Gast grundsätzlich mit der "aufrechten Tasse" (deoich an doruís). Wie der Name schon sagt, wird der deoich an doruís immer im Stehen eingenommen. Der Gast
und der Gastgeber treffen sich am Hauseingang, der weit geöffnet ist und erhalten von der ältesten Tochter des Hauses den deoich an doruís gereicht, den sie in einem Zug austrinken. Diese Sitte
hat sich sogar im Ophis durchgesetzt, wo der Wirt eines Gasthauses jeden Gast mit einem aus eigener Tasche bezahlten deoich an doruís verabschiedet.
Eine weitere Sitte, die in den Gasthäusern des Ophis fortlebt, ist der cliàthan. Ist ein Gast aus Armut des Gastgebers gezwungen, von seinen eigenen Vorräten zu essen, so ist er
verpflichtet, dem Hausherren von der ersten Mahlzeit, die er zu sich nimmt, einen gleichen Teil abzugeben. In den Gasthäusern des Ophis hat sich diese Sitte leicht verändert gehalten: Das erste
Getränk, das der Gast zu sich nehmen will, geht an den Gastwirt.
Eine Sitte, die sogar bis zu den Waldvölkern vorgedrungen ist, sind die bhairdh, die zeremoniellen Sänger der Hochländer, aus denen im ersten Jahrhundert die Skalden der Waldvölker
hervorgegangen sind. An jedem Hof gibt es einen bhairdh, der bei großen Gelagen ohne instrumentale Begleitung ein Lobeslied auf die Anwesenden anstimmt. Die Musik der bhairdh trägt dazu bei, daß
alte Legenden weiter im Volk gehalten werden und Neuigkeiten, die Reisende anbringen, schnell an den Höfen bekannt werden.
Bis auf die berühmten bhairdh amhránaíochta, die Epen der Hochländer, deren Bedeutung bisweilen die bhairdh selbst nicht mehr kennen, ist die gesamte Musik der bhairdh improvisiert. Es gibt
keine niedergeschriebenen Versionen der bhairdh-Musik und auch keine Wiederholungen, da ein bhairdh die Musik immer dem Anlaß anpaßt.
Ebenso wie an jedem Hof ein bhairdh existiert, so gibt es an jedem Hof einen ta dúr ann, einen Schwachsinnigen. Mental Kranke Kinder werden normalerweise ausgesetzt, da sie für die
Gemeinschaft keinen Nutzen haben. Ein einziger Schwachsinniger wird aber im Dorfe geduldet. Der ta dúr ann hat viele Freiheiten, kann tun und lassen, was er will, denn er ist straffrei in allen
reparablen Fällen. Nur wenn der ta dúr ann eine Tat begehen sollte, die er nicht rückgängig machen kann, so trifft ihn die volle Härte der Gemeinschaft: Er verliert seine Arme und wird
ausgesetzt, um zu sterben.
Die Gesellschaft der Hochländer ist um die lairdh gruppiert. Jeder Clan der Hochländer (zumeist etwa fünfhundert Menschen) hat einen lairdh, der auf seinem Hof residiert. Je weiter man nach Ophis vordringt, desto häufiger findet man mehrere Clans unter einem Oberhaupt zusammengeschlossen. Die Oberhäupter solcher Zusammenschlüsse nennen sich meist ard lairdh, rì oder ard rì.
In den tundraähnlichen Gebieten des Machairas und an den Gebirgshängen des Ophis, wo es sich nicht anbietet, feste Höfe zu haben, findet man auch Hochländer mit nomadischem Lebensstil. Sie haben
häufig im Winter ein Zeltlager in wärmeren Gefilden und ziehen dann in den Sommermonaten umher. Überraschenderweise haben die Clanführer der nomadischen oder teilnomadischen Clans fast immer
andere Titel, sei es treoraigh, ceannaire, múinteoir oder ceann leaniunt.
Besonders im Machairas ist es noch üblich, Frauen zur Hochzeit zu rauben, häufig ohne vorherige Rücksprache bei der Braut. Im Ophis ist diese Sitte zum Teil zum Zeremoniell verkommen, zum Teil
auch durch den Einfluß von Cuileann Croi-Tor gänzlich verschwunden.
Unverheiratete Frauen dürfen ihren Kopf nicht bedecken. Stirnreife, Stirnbänder und Haarbänder sind der einzige Schmuck, den eine Frau vor der Hochzeit tragen darf. Daher wird die Frau auch
traditionell mit einem großen härernen Sack eingefangen, der Körper und Kopf bedeckt. Im Ophis wird diese Sitte noch mit einer großen Kapuze ausgeübt. Der Bräutigam schleicht sich des Nachts in
die Gemächer der Braut und setzt ihr die Kapuze so auf den Kopf, daß sie nichts mehr sehen kann. Dann führt er die Geblendete zu seinem Pferd und reitet unter lautem Frohlocken davon.
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