MYRA

 Chronik_von_Lychai

Lychaiische Chronik

von Thîatmar Thawôseg

Burg Lychai, 12. Tewet

Seit Ende Tischri befinden sich die Fürsten in der Ratskammer, um einen aus ihrer Mitte zum Kaiser zu erwählen. Es dauert zu lange. Zwar schenke ich den Gerüchten über jene Volksbewegung keinen Glauben, welche die Fürsten aufknüpfen möchte, um dann ihre Nachfolger wiederum zusammen zu sperren. Aber ich mache mir trotzdem Sorgen. Angesichts der Berichte über das Vorrücken der drakonischen Armeen tut es weh, daß Reich auf diese Weise so kopflos zu sehen.

 Man sagt, die Drachen und ihre Armee hätten Krimisterhiim in Schutt und Asche gelegt. Wenn das wahr ist, dann wird auch Murâdan unter den vielen Tausend Toten sein. Das letzte, was ich von ihm hörte, war, daß er mit einer Ladung Met von Machaviik nach Krimisterhiim aufbrach. Der Met wird den siegreichen Truppen Drakons gerade zu Paß gekommen sein. Murâdan, ruhe er in Frieden. Er war ein freundlicher Mensch und hatte ein fröhliches Gemüt.

 Mitrania, 4. Schewat

Eben hörte ich den neuesten Klatsch aus Mitrania. Falpion Palath, der Zeremonienmeister von Garian, stürzte sich betrunken aus dem obersten Stockwerk eines Hauses und brach sich den Hals. Dem Vernehmen nach handelte es sich bei diesem Haus um ein stadtbekanntes Etablissement – ein Umstand, der dem an sich tragischen Tod Palaths einen Beigeschmack von Lächerlichkeit verleiht. Seine letzte Amtshandlung war der Aufruf zur Brautschau für den Herzog von Garian. Wie treffend.

 Burg Lychai, 13. Schewat

Noch immer nichts Neues aus dem Rat der Fürsten. Ich überlege, ob ich dem Grafen einen gefiederten Boten schicken sollte. Die Zahl der Toten in Krimisterhiim soll fast achtzehn Tausend betragen, die meisten von ihnen junge krimistische Rekruten. Wenn ich bedenke, daß die Grafschaft eine direkte Grenze zum Land der Krimisten hat, läuft es mir kalt über den Rücken. Ich fühlte mich sicherer, wenn die Lychron vollständig in der Burg anwesend wäre.

 Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht: Murâdan lebt. Zwar hat er die Kämpfe hautnah miterlebt, denn er war schon vor dem Beginn des Angriffs in der Stadt, aber ihm wurde kein Haar gekrümmt. Vermutlich hockte er bibbernd hinter seinen Metfässern, während Rumondr sich den Drachen entgegenstellte. Ich kann es ihm nicht verdenken. Daß er jedoch mit seiner Ladung Met noch ein Geschäft machte, als er sie an die siegreichen Söldner Drakons verhökerte, sieht ihm wieder ausgesprochen ähnlich.